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Kakao-Experte Jon Walker: „Wenn wir FAIRTRADE zur Norm machen, können wir die Situation von Millionen Menschen verbessern“

  • 22.10.25

Jon Walker, Senior Advisor für Kakao bei Fairtrade International, gibt uns einen Überblick über die Lage der Kakaoindustrie und einige ihrer größten Herausforderungen. Dazu gehören Klimawandel, hohe Kakaopreise und Kinderarbeit. Er erklärt auch, wie FAIRTRADE hier einen Unterschied macht.

Was ist Ihr Hintergrund im Bereich Kakao?

Ich kam mit Erfahrungen in den Bereichen Zucker, nachhaltige Lebensmittelproduktion und Beschaffung zu FAIRTRADE. Aufgrund der Verbindung zwischen Kakao und Zucker in Konsumgütern arbeitete ich schon bald mit Unternehmen zusammen, die beide FAIRTRADE-Rohstoffe verwendeten.

In den letzten elf Jahren habe ich mich auf Kakao konzentriert. Dieser Job ist großartig, da ich das Privileg habe, die Verwandlung von Kakao vom Anbaufeld bis zu den Konsument:innen zu verfolgen. Die Interaktion mit den Menschen in diesem komplexen Geschäft ist unendlich faszinierend.

Wie geht es der Kakaoindustrie derzeit?

Der Absatz von FAIRTRADE-Kakao wächst weiter – dank der starken Unterstützung durch Marken, Einzelhändler und Konsument:innen. Die Kakao-Kooperativen und ihre Mitglieder, die Kakaobauernfamilien, fordern uns jedoch zu Recht auf, die Menge an Kakao, den sie als FAIRTRADE verkaufen können, zu erhöhen.

Generell hat der Kakaomarkt in den letzten Jahren einen bedeutenden Wandel durchlaufen. Der Kakaopreis ist rapide angestiegen, da es aufgrund des Klimawandels, von Krankheiten sowie jahrelanger Unterinvestitionen in die Lebensgrundlagen der Kakaobauernfamilien, welche deren Anfälligkeit für Klimawandel und Krankheiten erhöhten, zu einer Verknappung des Angebots gekommen ist.

Steigende Kakaopreise sind für die Bauernfamilien grundsätzlich eine gute Nachricht. In Verbindung mit gestiegenen Produktionskosten und in einigen Fällen einem Rückgang der Kakaoproduktion ergibt sich jedoch ein komplexes Bild. Einige Bereiche der Verarbeitungs- und Konsumgüterindustrie sowie des Marketings empfinden diese höheren Preise als Herausforderung. In den letzten Monaten haben wir jedoch beobachtet, dass die Terminpreise für Kakao deutlich zu sinken begannen, da die Nachfrage nachließ und ein Anstieg des Angebots prognostiziert wird.

Welche Art von Kakao und Schokolade suchen die Märkte?

Bei FAIRTRADE arbeiten wir mit Bauernfamilien und ihren Kooperativen zusammen, um benachteiligte Produzentenorganisationen mit Endkonsument:innen zu verbinden, fairere Handelsbedingungen zu fördern und die Produzentenorganisationen dabei zu unterstützen, Armut zu bekämpfen, ihre Position zu stärken und mehr Kontrolle über ihr Leben zu erlangen. Ein Teil unserer Aufgabe besteht darin, die Marktteilnehmer:innen davon zu überzeugen, dass dies der Kakao und die Schokolade ist, die sie suchen.

Der Klimawandel und extreme Wetterereignisse erschweren den Kakaoanbau jedoch zunehmend. Könnten Kakao und Schokolade tatsächlich verschwinden?

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Kakao und Schokolade komplett verschwinden werden, doch die Produktion und damit die Lebensgrundlage der Bauernfamilien ist in einigen Regionen bereits erheblich beeinträchtigt – und dies könnte sich noch verschlimmern.

FAIRTRADE-Kooperativen reagieren auch mit Unterstützung einiger großartiger Projektpartnerunternehmen auf den Klimawandel, indem sie zum Beispiel Anbausysteme wie die dynamische Agroforstwirtschaft einführen. Die Realität sieht jedoch so aus, dass viel mehr Bauernfamilien finanzielle Unterstützung für die Umstellungskosten und andere Kosten der Anpassung an den Klimawandel benötigen.

Die Kakaopreise haben kürzlich Rekordhöhen erreicht. Bedeutet dies jedoch, dass sich die Lebensbedingungen der Kakaobauernfamilien verbessert haben?

Seit 2016 erheben wir bei FAIRTRADE alle vier Jahre das Einkommen der ivorischen Kakaobauernfamilien. Unsere neueste Studie wurde am 17. September 2025 veröffentlicht. Demnach ist die Zahl der ivorischen Familien, die in extremer Armut leben, von 36 Prozent im Jahr 2020 auf 17 Prozent im Jahr 2024 deutlich zurückgegangen. Dies entspricht einem Rückgang von 19 Prozentpunkten. Betrachtet man die Studie von 2017, so zeigt sich eine noch deutlichere positive Veränderung: Damals lebten 58 Prozent der Bauern in extremer Armut, was einer Verbesserung von mehr als 40 Prozentpunkten in den letzten sieben Jahren entspricht.

Andere Indikatoren der Studie zeigen jedoch ein komplexeres Bild: Die ivorischen Kakaobauernfamilien leiden unter den Auswirkungen von Inflation, Klimawandel und Arbeitskräftemangel – Faktoren, die die positiven Effekte der höheren Preise einschränken.

Kinderarbeit im Kakaosektor ist gut dokumentiert. Warum ist Kinderarbeit im Kakaosektor ein besonderes Risiko?

Armut ist eine der Hauptursachen für Kinderarbeit. Weitere Faktoren sind der mangelnde Zugang zu hochwertigen Bildungseinrichtungen oder Kinderbetreuung, Ausbeutung, Diskriminierung, Konflikte und Naturkatastrophen. Solange Familien nicht in der Lage sind, mit ihren Ernten einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen, und junge Menschen keine angemessenen Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten haben, wird es sehr schwierig sein, Kinderarbeit zu beenden. Kein Elternteil möchte, dass sein Kind arbeiten muss, statt zur Schule zu gehen. Doch die Realität des täglichen Kampfes um das Überleben ist hart, insbesondere für Bauernfamilien.

Wie sieht die Zukunft für Kinder in Kakaoanbaugebieten aus?

Es ist unerlässlich, dass FAIRTRADE auch weiterhin mit engagierten Bürger:innen, Regierungen, Organisationen und Unternehmen zusammenarbeitet, um die vielen komplexen Ursachen von Kinderarbeit – insbesondere Armut – anzugehen. Wenn wir solche Verpflichtungen zur Norm machen und nicht als Wettbewerbsnachteil betrachten, können wir die Situation von Millionen Kleinbauern, Arbeitern und ihren Kindern sowie deren Gemeinden verbessern.

Der ganzheitliche Ansatz von FAIRTRADE umfasst strenge Standards, FAIRTRADE-Mindestpreise und -Prämien sowie Programme. Unsere Programme leiten Ressourcen an die Bauernfamilien weiter, damit diese in Prävention, Schadensminderung und Sanierung in ihren eigenen Gemeinden investieren können. Gleichzeitig ermöglichen wir es den kommerziellen Akteuren weiter unten in der Lieferkette, sich auf sinnvolle Weise zu engagieren.

Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verbietet den Import von Kakao, der mit Entwaldung in Verbindung steht. Wie wirkt sich dies auf die Arbeit der Kakaobauern aus?

Unsere Erfahrung zeigt, dass sich Bauernfamilien und die Gemeinschaften, in denen sie leben, des Wertes der Wälder für sie selbst und die Weltgemeinschaft bewusst sind. Allerdings kann Armut die Risiken für die Wälder erhöhen.

Die EUDR schreibt Unternehmen, die Kakao auf den europäischen Markt bringen, aus Europa exportieren oder anderweitig geschäftlich mit Kakao handeln, einen entsprechenden Sorgfaltsprozess vor. In einigen Fällen hat die Verordnung jedoch dazu geführt, dass Kooperativen und ihre Mitglieder immer komplexere Datensätze zur Geolokalisierung der Farmen ihrer Mitglieder verwalten müssen. Leider war die Unterstützung der Kooperativen durch ihre Handelspartner, die über die entsprechenden Ressourcen verfügen, in einigen Fällen ungleichmäßig und inkonsistent.

Unternehmen, die Produkte auf dem europäischen Markt verkaufen, müssen nachweisen, dass ihre Lieferketten frei von Entwaldung sind. Die FAIRTRADE-Standards stehen im Einklang mit der EUDR. Auf der Grundlage fairer Lebensbedingungen und ethischer Datenprinzipien unterstützt FAIRTRADE Unternehmen und Produzenten dabei, die Anforderungen der EUDR zu erfüllen und über die reine Einhaltung hinaus zu einem sinnvollen Waldschutz beizutragen.

Warum sollten Konsument:innen Produkte mit FAIRTRADE-Kakao wählen?

FAIRTRADE steht für eine bessere Art des Einkaufens und Wirtschaftens. Es vereint Bauernfamilien, Handelsunternehmen und Regierungen, um gemeinsam eine Welt zu schaffen, die fair zu den Menschen und zum Planeten ist.

Unsere FAIRTRADE-Mindestpreise schützen Bauernfamilien bei Markteinbrüchen. Zusätzlich zum FAIRTRADE-Mindestpreis erhalten die Kooperativen und ihre Mitglieder über die FAIRTRADE-Prämie einen Geldbetrag von Unternehmen, um in Gemeinschafts- oder Geschäftsprojekte ihrer Wahl zu investieren. Durch unsere Standards, Programme und Projekte unterstützen wir – gemeinsam mit den Konsument:innen, die sich für FAIRTRADE-Produkte entscheiden – die Kooperativen und ihre Mitglieder.

Mögen Sie Schokolade? Wenn ja, welche Sorte?

Ich liebe Schokolade und meine Lieblingssorte ist dunkle Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil.