FAIRTRADE-Stellungnahme zum Bericht von Repórter Brasil
Am 27. Juni 2025 veröffentlichte Repórter Brasil den Bericht „Der beste Kaffee der Welt? Schlechte Unterkünfte, lange Arbeitszeiten und informelle Beschäftigung bei der Kaffeeernte in Kolumbien“, der schwerwiegende Vorwürfe zu den Arbeitsbedingungen auf kolumbianischen Kaffeefarmen erhebt.
Fairtrade International wurde im März 2025 von Repórter Brasil mit einer Reihe von Fragen kontaktiert, auf die wir basierend auf den uns damals verfügbaren Informationen geantwortet haben. Erst nach der Veröffentlichung erhielten wir Zugang zum vollständigen 41-seitigen Bericht und konnten dessen Inhalte eingehend analysieren.
FAIRTRADE ist überzeugt davon, dass Bäuer:innen und Arbeiter:innen menschenwürdige Arbeitsbedingungen brauchen, um sich eine nachhaltige Existenz aufzubauen. Deshalb engagieren wir uns gezielt in Regionen, in denen Armut und Instabilität herrschen – um dort etwas zu bewirken. Wir würdigen die Arbeit von Repórter Brasil, deren journalistische Recherchen wichtige Missstände sichtbar machen.
FAIRTRADE-Folgemaßnahmen
Wir nehmen alle Vorwürfe zu Verletzungen der Rechte von Arbeiter:innen sehr ernst und betrachten jede Form von Ausbeutung als inakzeptabel. Nach der Kontaktaufnahme durch Repórter Brasil haben wir den Fall umgehend an das Act to Protect Executive Committee von Fairtrade International weitergeleitet, wie es unsere Act to Protect Policy vorsieht. Dieses Gremium prüft die Vorwürfe und leitet sie an ein oder mehrere unserer Produzentennetzwerke weiter. Geschultes Personal führt dort eine sichere Folgebewertung durch. In diesem Fall wurde CLAC, das FAIRTRADE-Produzentennetzwerk für Lateinamerika und die Karibik, informiert. Näheres zu den bisherigen Maßnahmen von CLAC folgt unten.
Parallel wurden die Vorwürfe auch an die unabhängige Zertifizierungsstelle FLOCERT zur Überprüfung im Rahmen von Audits und Zertifizierungen weitergeleitet. FAIRTRADE ruft generell dazu auf, vermutete Verstöße gegen FAIRTRADE-Standards vertraulich an FLOCERT zu melden – per Website, E-Mail, Telefon oder WhatsApp. So ist eine gezielte und wirksame Nachverfolgung möglich. Jeder Fall wird einzeln geprüft, um eine sichere Lösung für betroffene Personen zu ermöglichen.
Diese Prozesse benötigen Zeit. Auch im Fall der von Repórter Brasil erhobenen Vorwürfe sind die Untersuchungen derzeit noch im Gange. FAIRTRADE handelt so schnell und effektiv wie möglich im Interesse der Betroffenen.
Arbeitsrechte im Kaffeesektor
FAIRTRADE erkennt an, dass strukturelle Risiken für die Rechte von Arbeiter:innen im Kaffeesektor bestehen – insbesondere bei Saison- und Wanderarbeitskräften, die häufig nur wenige Tage auf einer Farm tätig sind, wie es bei der Kaffeeernte typisch ist. In Kolumbien etwa fehlt eine gesetzliche Grundlage zur Absicherung dieser Art von rotierender und kurzfristiger Arbeit.
Auch wenn kein Zertifizierungssystem absolute Garantie bieten kann, arbeitet FAIRTRADE daran, die Bedingungen für alle Arbeiter:innen in der Landwirtschaft zu verbessern – auch für temporär Beschäftigte auf bäuerlichen Betrieben. Dazu setzen wir auf Standards, Schulungen, Audits, Vor-Ort-Betreuung und gezielte Programme mit Partner:innen.
Die FAIRTRADE-Standards enthalten Vorschriften zu Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz. Arbeiter:innen müssen mindestens gemäß Tarifvertrag, regionalem oder gesetzlichem Mindestlohn entlohnt werden – je nachdem, was höher ist. In den vergangenen Jahren wurden die Anforderungen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz auf Kleinbetrieben verschärft und auf mehr Arbeiter:innen ausgeweitet. Ziel der letzten Überarbeitung war auch, informelle Beschäftigung zu reduzieren – durch Dokumentationspflichten, Arbeitsverträge und Nachweise über Zahlungen.
Die Einhaltung der FAIRTRADE-Standards wird regelmäßig durch Audits von FLOCERT überprüft – inklusive Betriebsbegehungen, Dokumentenprüfungen und vertraulichen Interviews. In Branchen mit saisonaler Arbeit erfolgt dies bevorzugt zur Erntezeit.
Dialog mit Produzent:innenorganisationen
FAIRTRADE verfolgt einen partnerschaftlichen Ansatz und unterstützt Produzent:innen dabei, sich kontinuierlich zu verbessern. CLAC hat mit den beiden im Bericht genannten FAIRTRADE-zertifizierten Organisationen Kontakt aufgenommen und bleibt im engen Dialog.
Die Farm La Siberia ist Mitglied der FAIRTRADE-zertifizierten Kooperative CADEFIHUILA. Der Betrieb erkennt Verbesserungsbedarf bei den Unterkünften für temporäre Arbeitskräfte an, weist aber auch auf die Abhängigkeit von höheren FAIRTRADE-Absätzen oder anderweitiger finanzieller Unterstützung hin. Laut Kooperative liegen die Stücklohnsätze über dem gesetzlichen Mindestlohn.
Die Farm Los Naranjos gehört zur FAIRTRADE-zertifizierten Kooperative SALGAR, kann aber keinen Kaffee unter FAIRTRADE-Bedingungen vermarkten und ist daher nicht Teil einer FAIRTRADE-Lieferkette. Die Farm ist mit über 30 Hektar zu groß für den Kleinbäuer:innen-Ansatz von FAIRTRADE, kann laut nationalem Recht aber nicht aus der Kooperative ausgeschlossen werden. Dennoch müssen auch solche Mitglieder die FAIRTRADE-Standards einhalten. Laut Kooperative wurden weder sie noch der Betrieb im Vorfeld vom Journalisten direkt kontaktiert.
Die Farm Los Naranjos hat gegenüber CLAC angegeben, bereits mit Verbesserungen der Unterkünfte begonnen zu haben (inkl. Bildnachweise). Die Maßnahmen sollen fortgeführt werden.
Zusätzlich hat sich die SALGAR-Kooperative in den letzten fünf Jahren an einem Programm beteiligt, das Arbeiter:innen Zugang zur Sozialversicherung verschafft. Über 700 saisonale und permanente Arbeitskräfte wurden bisher einbezogen. Das Programm unterstützt bei Gesundheitsuntersuchungen, Transportkosten, Unfallabsicherung, Renten- und Beerdigungsleistungen. Weite Teile des Programms werden durch FAIRTRADE-Prämien finanziert.
CLAC liegen Nachweise zur Sozialversicherung, zu Verbesserungen bei Unterkünften und zur Zahlung gesetzeskonformer Löhne vor. Darüber hinaus führte CLAC Trainings zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht und zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen durch, um das Risikobewusstsein der Kooperativen zu stärken und Handlungskompetenz aufzubauen.